Fallbeispiele

Erfahren Sie mehr Fälle, in denen Verschwendung minimiert wurde

Vom Projekt- zum Produktmanagement

Ein Unternehmen, das Lösungen für Embedded Software Systeme anbietet, arbeitete jede Kundenlösung im Projektmodus ab. Sechs Kundenteams kümmerten sich um jeweils eine spezifische Kundengruppe, deren Anforderungen sie bestmöglich zu erfüllen versuchten. Diese Arbeitsweise resultierte bei wachsender Kundenanzahl und steigenden Umsätzen sowohl in einer sinkenden Profitabilität als auch in einer steigenden Arbeitsbelastung für jeden einzelnen Mitarbeiter. Wenn immer mehr Kunden unterschiedliche Anforderungen an die Entwicklung, Konfiguration und Wartung der Lösungen haben, sind diese kaum mehr wirtschaftlich erfüllbar. Mitarbeiterressourcen werden auf diese Weise verschwendet.

Es bedurfte daher eines Wechsels von der Projektorientierung zur Produktorientierung. Dies geschah dadurch, dass nach der gemeinsamen “Value Proposition” aller Projekte gefragt wurde. Dieser kleinste gemeinsame Nenner wurde dann als konfigurierbarer Produktkern des Unternehmens definiert, entwickelt und abgesichert.

Mit der Änderung von der Projekt- zur Produktorientierung änderte sich auch das Geschäftsmodell des Unternehmens: Die beiden Kernaufgaben des Vertriebs bestanden darin, einerseits die Kunden in Richtung des Produkts zu steuern und andererseits die Anforderungen der Kunden zu bündeln und in die Product Roadmap einzuspeisen. Die Kernaufgabe der Entwicklung änderte sich dahingehend, auf Basis einer gemeinsamen Plattform kundenspezifische Konfigurationen vorzunehmen und zu testen. Die beiden Kernaufgaben des Kundenservice bestanden nun darin, einerseits Kundenprobleme als Konfigurationsprobleme zu identifizieren und zu lösen und andererseits sich wiederholende Kundenprobleme in die Product Roadmap einzuspeisen.

Mit diesem Wandel stieg die Produktivität, definiert als bezahlte Kundenleistungen pro Arbeitstag, von 12.000,- EUR auf 18.000,- EUR ohne eine Erhöhung der Mitarbeiterkapazitäten. Erforderlich waren dafür drei Ganztagesworkshops zur Identifikation und Definition des Produktkerns sowie ein Produktentwicklungsprojekt.

Von der Zertifizierung zum Prozessmanagement

Eine Entwicklungsorganisation im Automotive Bereich war durch einige ihrer Kunden zu einer Zertifizierung nach einem prozessorientierten Qualitätsstandard gezwungen. Die Zertifizierung betrachteten die Kunden als konstruktive Qualitätssicherungsmaßnahme bei ihren Lieferanten mit der Hoffnung, dass – ähnlich wie in der Produktion – durch die Einhaltung von definierten Prozessen in der Entwicklung auch die Zuverlässigkeit der Ergebnisse im Hinblick auf Qualität, Zeit und Kosten steigt.

Faktisch war das Zertifizierungsprojekt im Kern ein Dokumentationsprojekt. Denn im Audit wurde lediglich geprüft, ob zu jedem Prozessschritt ein dokumentiertes “Arbeitsprodukt” vorliegt. War diese Anforderung erfüllt, galt der Prozess als eingehalten. Im gegenteiligen Fall nicht. Somit konstruierte die Zertifizierung eine eigenständige Realität neben der “normalen Arbeit”, in der nur das als relevant angesehen wurde, was auch in dokumentierter Form vorlag. Aus der Sicht der Entwickler bestand die Verschwendung darin, dass sie nun – ohne Erhöhung der Mitarbeiterkapazitäten – zwei “Jobs” hatten: Kundenentwicklungen abzuliefern und Dokumente zu produzieren und zu pflegen.

Die Ursache für diese Verschwendung lag im Detaillierungsgrad der Prozessbeschreibung, die von externen Prozessberatern verfasst wurden. Dadurch, dass die Anforderungen der Norm sehr eng interpretiert wurden, um die Zertifizierung zu erhalten, hat sich die Organisation selbst weit mehr an Dokumentation verschrieben als notwendig gewesen wäre.

Die Lösung für das Problem bestand also darin, in Zusammenarbeit mit den Auditoren die Prozessbeschreibung so weit wie möglich zu “entbürokratisieren”. Die Grenze bestand in der Einhaltung der Anforderungen der Norm. Der “Bürokratieindex”, definiert als die Anzahl im Prozess verwendeter Dokumente im Verhältnis zur Anzahl erstellter Dokumente, veränderte sich dadurch von 0,2 auf 0,8. Erforderlich war dafür ein “Entbürokratisierungsprojekt” in Zusammenarbeit mit zwei Auditoren im Umfang von 2 Monaten Dauer.

Von der Bestandsverwaltung zur pastoralen Arbeit

Eine kirchliche Organisation war seit mehreren Jahren durch eine schwindende Mitgliederzahl gekennzeichnet. Mit der schwinden Mitgliederzahl gingen sowohl die personellen als auch die finanziellen Ressourcen zur Unterhaltung der Einrichtungen (Schulen, Internate, Bildungshäuser usw.) zurück. Die Verschwendungssituation, die dadurch entsand, bestand darin, dass auf immer weniger Mitglieder immer mehr Aufgaben zukamen, die eher Verwaltungsqualitäten als pastorale Qualitäten hatten. Der eigentliche Zweck der Organisation, nämlich pastorale Arbeit zu leisten, verschwand in der Wahrnehmung der Mitglieder dadurch immer mehr.

Die einzige Lösung, die diese Situation nachhaltig bessern konnte, bestand darin, sich von Beständen zu trennen, die zunehmend mehr Ressourcen beanspruchten. Die Schwierigkeit bestand jedoch darin, wie diese Trennung vollzogen werden konnte, wenn alle Mitglieder “ihre Bestände”, für die sie sich verantwortlich zeichneten, “retten” wollten.

Da pastorale Arbeit nicht in erster Linie von Strukturen, sondern von Personen lebt, bestand der Ansatz darin, jedes einzelne Mitglied nach seinen individuellen Zukunftsperspektiven für die nächsten drei bis fünf Jahre zu fragen. Aus diesen individuellen Zukunftsperspektiven wurden “Landkarten” geformt, die anzeigten, wie die Organisation in fünf Jahren mit reduzierten Beständen aussehen kann. Schließlich wurde diejenige “Landkarte” ausgewählt, die einerseits für die pastorale Arbeit am wirksamsten war und in der nahezu jedes Mitglied seinen Platz finden konnte.

Auf diese Weise wurde die Organisation von neun auf vier Niederlassungen reduziert, was Freiräume für vermehrte pastorale Arbeit bietet. Erforderlich war dafür ein prozess von einem Jahr dauer mit insgesamt vier Workshoptagen.